Im Durchschnitt und kontrolliert für andere Einflussfaktoren, wie Gesundheit, Bildung und Erwerbstätigkeit, sind Frauen mit Kindern in der Schweiz weniger zufrieden mit ihrem Leben, als solche ohne Kinder. Diesen Zusammenhang finden wir in Dänemark, welches die Vereinbarkeit von Familie und Beruf umfassend fördert, nicht. Auch für Männer scheint der Zusammenhang nicht zu bestehen.[1] Das Ergebnis ist robust und lässt sich auch mit Längsschnittdaten (SHP) aufzeigen. D.h. im Schnitt ist eine Frau in der Schweiz vor der Geburt ihres ersten Kindes zufriedener mit ihrem Leben als nachher. Für viele Frauen steigt zwar das persönliche Glück für die kurze Phase in der sie ein neugeborenes Kind umsorgen können, dieser Effekt verschwindet aber wieder, sobald die Kinder grösser sind.

Es braucht mehr Forschung, um die Ursachen dieses Zusammenhangs genauer zu ergründen. Ich für meinen Teil, kann es mir aber gut erklären. Zwar würde ich sofort unterschreiben, dass mich meine Kinder glücklich machen, trotzdem muss ich zugeben, dass meine Gesamtsituation Punkto Lebenszufriedenheit seit ich Mutter bin eher abgenommen hat. Dafür gibt es einige Gründe:

  • Ich arbeite regelmässig zwei Schichten: d.h. vor und nach der Bürozeit ist Familienzeit und Hausarbeit angesagt. Zwar teile ich diese beiden Dinge mit meinem Partner, der die Kinder von der Kita holt und jeden Abend ebenfalls voll für sie da ist, aber der eigentliche Arbeitstag ist halt schon sehr lang – für beide.
  • Für persönliche Freizeit und Spontanität (z.B. kurz mal nach der Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen ein Bier trinken gehen) bleibt kaum Raum.
  • Auch die Organisation ist zeitauf- und nervenaufwendig. Je älter die Kinder werden, desto mehr Dinge (z.B. Kinderbetreuung, Kindergarten, Schule, Schwimmkurs, Schulzahnpflege,  und und und) müssen organisiert und koordiniert werden. Dies ist vor allem auch deshalb so mühsam, weil im gesellschaftlichen Alltag immer noch relativ wenig Rücksicht auf die Erwerbstätigkeit der Eltern genommen.
  • Trotz allem Jonglieren und der doppelten Schichten mache ich sowohl beruflich (und vor allem da) wie auch in der Familie Abstriche, was eben der Zufriedenheit eher abträglich ist.
  • Noch viel unglücklicher wäre ich allerdings, wenn ich nicht die Möglichkeit hätte dem Familienalltag regelmässig den Rücken zu kehren, um meinem derzeit einzigen „Hobby“, der Arbeit an der Uni, nachzugehen. Ich bin meinem Mann dankbar, dass er dies auch so sieht und deshalb mein „Hobby“ mitfinanziert und so dazu beiträgt, dass ich meine hart erarbeitete berufliche Qualifikation erhalten und vertiefen kann.

Ich denke, dass es vielen erwerbstätigen Müttern ähnlich geht wie mir. Mütter, die nicht oder nur wenig erwerbstätig sind, dürften dafür eher die Herausforderungen und sozialen Interaktionen des Berufsalltags vermissen. Wahrscheinlich gibt es sie sogar, die Vollzeitmütter, welche mit ihrer Situation vollumfänglich zufrieden sind. Aber — und darauf deuten die Statistiken zur Lebenszufriedenheit — diese befinden sich immer mehr in der Minderheit. Ich bin überzeugt, dass eine bessere und adäquatere Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in unserem Land viel bringen würde. Je normaler es wird, dass auch Mütter erwerbstätig sind (und damit meine ich nicht nur ein kleines Zweiteinkommen), desto einfacher wird es für die, die es jetzt schon sind.

Besonders unglücklich macht mich heute der Ausgang der eidgenössischen Abstimmung zum Familienartikel. Mit diesem Artikel hätte die Schweiz zumindest das Signal ausgesendet, dass die Bemühungen von Familien wie der unseren, in diesem Land gesellschaftliche Anerkennung finden. Ich habe zwar schon ein wenig damit gerechnet, dass eine Minderheit der Bevölkerung, welche aber eine Mehrheit der Stände repräsentiert, den Artikel zu Fall bringen könnte, dass es jetzt so herausgekommen ist – und dann noch derart knapp – ist trotzdem ein Riesendämpfer!

 

[1] Christofferson, Henrik, Michelle Beyeler, Reiner Eichenberger, Peter Nannestad und Martin Paldam (2013, im Erscheinen) The Good Society – A Comparative Study of Denmark and Switzerland. Heidelberg: Springer.


Kommentare

Eine Antwort zu „Kinderglück und Mutterunglück“

  1. Avatar von Jürg Wyss
    Jürg Wyss

    Ich kann diese Gedanken nachvollziehen. Aber ich glaube, die ganz grossen Verlierer heute waren nicht die intakten Familien, sondern die zunehmende Zahl Alleinerziehender, denen es auch in Zukunft nicht einfacher gemacht wird.