Nun gibt es sie also auch in der Schweiz: die Frauenquote für Verwaltungsräte. Ich finde das gut. Zumindest teilweise. Einige wünschenswerte Effekte erwarte ich durchaus. Aber Quoten haben so ihre Probleme. Und damit meine ich jetzt nicht die übliche Leier von den armen, abgewerteten Quotenfrauen, die ihre Stelle nur aufgrund des Geschlechts haben – oder diejenige der armen, fähigen, männlichen Quotenopfer. Egal ob Mann oder Frau, die von dieser Quote betroffenen Persönlichkeiten sind sowieso (ökonomisch gesehen) hochprivilegiert. Die Bewertung einer Massnahme sollte sich nicht an persönlichen Befindlichkeiten orientieren, sondern am Nutzen für die Sache der Geschlechtergerechtigkeit.
Da gibt es durchaus einige positive Dinge zu vermerken. In Norwegen gilt seit längerem eine 40% Quote für Verwaltungsräte in öffentlichen und börsenkotierten Unternehmen. Allerdings zeigte diese erst richtig Wirkung als im Falle der Nichtbeachtung, harte Konsequenzen drohten. Einer der Effekte – und dieser könnte durchaus auch bei der Schweizer Quote eintreffen – war, dass die Suchprozesse professionalisiert wurde. Wer sich anstrengt und nicht nur in naheliegenden Netzwerken sucht, findet durchaus gute und fähige Frauen. Für ‚Diversity’ im Verwaltungsrat braucht es mehr Anstrengung. Und die Schweizer Quote übt hier sanften Druck, zumindest die vertretbaren Kosten nicht zu scheuen. Würde das zu teuer, sieht ja die Schweizer Regelung die Möglichkeit einer begründeten ‚non-compliance’ vor.
Indem die sogenannte ‚gläserne Decke’ gezielt ausgehebelt wird, erhalten Frauen eine reelle Chance auf eine Führungsposition in der Wirtschaft. Das erhöht die Motivation und Bereitschaft, auf diese Karte zu setzen. Schliesslich hilft diese Quote auch, kulturelle Leitbilder zu transformieren. Sie signalisiert sehr deutlich: ökonomische Macht ist nicht einfach nur Männersache.
Für die häufig gehörten Argumente, Unternehmen mit mehr Frauen im Verwaltungsrat seien erfolgreicher und besser, gibt es wenig haltbare wissenschaftliche Evidenz. Die Studien sind sich nicht einig, ob die zusätzlichen Frauen am Steuer überhaupt einen Effekt auf die Performanz der Unternehmung haben. Die Qualität der Verwaltungsratsarbeit ist durch die Quoten aber auch nicht schlechter geworden.
Bezüglich der häufig geäusserten Hoffnung auf Diffusionseffekte sind die Erfahrungen aus Norwegen eher ernüchternd. In den von der Quote nicht betroffenen Unternehmen wurde die Zahl der Frauen in den Verwaltungsräten nicht erhöht. Auch die Geschlechterverhältnisse im Management (also unterhalb des Verwaltungsrats) wurden kaum verändert. Der Grund ist naheliegend. Durch die Quoten wird die Ursache der Ungleichheiten kaum beeinflusst. So werden beispielsweise die Strukturen, die benötigte würden, um Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen, gerade im unteren Management, ja nicht verändert. Das Nachwuchsproblem bleibt bestehen und die vermeintlichen Vorbilder, die durch die Quote geschaffen werden sollten, sind sehr weit von der Lebensrealität der meisten Frauen entfernt.
Aufgrund der beschränkten Wirkungen solcher Quoten, ist also zumindest Vorsicht geboten. Denn sind die Verwaltungsräte gemischter, widerspiegeln sie die Probleme und Ungerechtigkeiten auf den unteren Ebenen nicht mehr. Das könnte aber auch den Druck für echte und tiefergehende Veränderungen reduzieren. Hat sich die Quote einmal durchgesetzt, kann man dann mit Verweis auf die Fortschritte auf der höchsten Ebene, die Missstände unten besser legitimieren.
Der Frauenanteil in Verwaltungsräten ist ein häufig verwendeter Indikator für Gleichstellung. Mit eher geringem Aufwand, kann ein Land mit einer solchen Quote in internationalen Rankings rasch ‚aufholen’. Im Prinzip ist es also ein relativ billiges Mittel, sich besser darzustellen als man ist: Es bedarf nur minimaler Veränderungen und hat kaum finanziellen Folgen.
Quoten in Verwaltungsräten sind deshalb sicher kein Wundermittel für mehr Geschlechtergerechtigkeit. Was es bräuchte wäre eine grundlegende Debatte über Arbeits- und Lebenszeitmodelle. Man müsste sich überlegen, wie gesellschaftlich nachhaltig eine Wirtschaft sein kann, die nur über die uneingeschränkte Verfügbarkeit der Manager und Mangerinnen für Ihre Firmen, funktioniert. Bis wir da sind, sind sie aber ein relativ einfacher Weg, zumindest einige Verbesserungen (siehe oben) herbeizuführen. Damit ist es aber sicher nicht getan.
Schreibe einen Kommentar