Geschlechtergerechtigkeit geht nur ohne Wehrpflicht für Männer

Am 22. September lege ich mit Überzeugung ein Ja zur Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht für Männer in die Urne. Dies nicht, weil ich gegen die Armee bin und diese abschaffen möchte. Nein, ich will mit meiner Stimme ein Signal setzen gegen eine Verfassungsbestimmung, die meiner Vorstellung von Geschlechtergerechtigkeit zutiefst wiederspricht. Die Wehrpflicht für Männer ist eine staatliche Zementierung bestimmter Geschlechterrollen. Die Norm geht davon aus, dass die militärische Landesverteidigung Männersache ist. Frauen, so die Annahme sind für diese Aufgabe weniger geeignet und diese leisten ja mit der unbezahlten Pflege- und Hausarbeit bereits freiwillig genug Dienst an der Allgemeinheit.

Bezeichnend ist, dass Männer, die anstatt einer militärischen Kampfausbildung, Zivildienst im sozialen Bereich leisten, zu einem bedeutend längeren Dienst verpflichtet werden. Damit wird unter anderem signalisiert, dass die in militärische Ausbildung investierte Zeit wertvoller ist, als die in soziale Pflegearbeit investierte Zeit. Die gesellschaftliche Herabwertung typischer Frauenarbeit gegenüber typischer Männerarbeit ist eine der Hauptmechanismen zur Erhaltung von Geschlechterungleichheit und patriarchalischer Machtstrukturen. Es geht nicht an, dass ein moderner Staat diese Herabwertung in einer Verfassungsnorm zur gesellschaftlich anerkannten Norm setzt!

Direkt diskriminiert werden durch den Verfassungsartikel zudem alle, welche sich mit dieser klaren Rollenzuteilung nicht identifizieren können. Dies sind auf der einen Seite die Frauen, die sich in der militärischen Landesverteidigung engagieren wollen. Sie mussten sich das Recht auf Militärdienst hart erkämpfen. Nach wie vor werden weibliche Angehörige der Armee aber eher belächelt und sie müssen ihre Wahl viel stärker rechtfertigen als die Männer. Sie können aufgrund der ungleichen rechtlichen Bedingungen nicht unter denselben Voraussetzungen mitmachen, wie ihre männlichen Kollegen.

Direkt diskriminiert werden auch alle Männer, welche sich nicht mehr mit der traditionellen Männerrolle identifizieren können. Sie übernehmen heute vielleicht sogar noch mehr Betreuungsarbeit als ihre Partnerinnen. Trotzdem müssen sie zum Militär- oder Zivildienst. Wie soll das nun gehen, wenn er in den Zivildienst muss und sie voll erwerbstätig ist – wer betreut dann die Kinder? Es geht doch nicht an, dass aufgrund der Wehrpflicht für Männer eine Familie daran gehindert wird, eine andere interne Rollenteilung zu wählen als die traditionelle.

Da die heutige Armee bereits heute eher zu gross ist, macht eine Ausdehnung  der allgemeinen Wehrpflicht auf die Frauen wenig Sinn. Ich bin daher klar für die Abschaffung der Wehrpflicht für Männer. Eine Möglichkeit wäre, diese durch eine freiwillige Miliz zu ersetzen, welche Frauen und Männern, die sich für die Landesverteidigung einsetzen wollen, gleiche Spiesse gibt. Eine andere Möglichkeit wäre die Einführung einer allgemeinen Pflicht zum Dienst an der Gesellschaft für alle Schweizerinnen und Schweizer, der gleichwertig im zivilen oder militärischen Bereich geleistet werden könnte. Diese wäre  durchaus auch eine geschlechtergerechte Lösung.