Zweiteinkommen – von wegen Luxus

Nach der Abstimmung zum Familienartikel erschien in der Aargauer Zeitung ein Interview, in dem ich auf die Gründe und mögliche Folgen der Nichtannahme hingewiesen habe. Zustimmende Kommentare gab es keine und der Titel, in dem ich als „Familien-Expertin“ bezeichnet werde, hat diese wohl noch gefördert. Nachdenklich gestimmt hat mich aber vor allem folgendes Statement einer Kommentatorin:

„Ich bin glücklich über das Abstimmungsergebnis. Es geht mir nicht um diejenigen Frauen, welche arbeiten müssen (zuwenig Geld) oder Alleinerziehend. Aber ich sehe in meiner Firma genügend Frauen, welche „des Luxus“ Willen arbeiten und das Kind wird einfach in die Krippe abgegeben! Und das ganze wird von uns Steuerzahlern finanziert? NEIN DANKE!

Diese Frau betrachtet Zweiteinkommen als Luxus. Ist das wirklich so? Der Familienmonitor des gfsbern.ch, zeigt deutlich, dass diese Sichtweise falsch und problematisch ist. Denn auch mit Zweiteinkommen (die meisten Familienhaushalte mit zwei Elternteilen verfügen inzwischen über ein solches) werden die Familien in der Mehrheit an den unteren Rand der Einkommensskala gedrängt.

Mit Luxus hat das zweite Einkommen also für die meisten wenig zu tun. Viel mehr scheint es als  eher verzweifelten Versuch, den Status zu erhalten, wenn Kinder im Haushalt leben. Verzweifelt, weil es vielen eben trotz allem nicht gelingt. Familien geraten immer stärker unter Druck. Laut Familienmonitor haben sich die finanziellen Bedingungen der Familien fast durchwegs verschlechtert. In der neusten Ausgabe des Familienmonitors werden 74 Prozent der befragten Personen in Familienhaushalten mit einem Mittelschichtseinkommen der unteren Mittelschicht zugeteilt. Nur knapp 7 Prozent gehören zur oberen Mittelschicht. Auch andere Statistiken zeigen, dass Familienhaushalte bei den „Einkommensschwachen“ und in der „unteren Mitte“ klar übervertreten sind (Bundesamt für Statistik: „Die Mitte im Fokus“, S. 19). Und dazu gehören nicht nur die Einelternfamilien oder die kinderreichen Familien. Auch die „typische“ Kernfamilie, Vater – Mutter – ein/zwei  Kinder, ist im unteren Bereich deutlich übervertreten.

Sicher basiert der Verzicht auf Einkommen und die damit verbundene Investition in Familienzeit zum Teil auf freier Wahl. Aber eben nur teilweise, wie der Bericht weiter aufzeigt (siehe dazu  meinen Kommentar, welcher dem Bericht angehängt ist.) Die Kosten des Zweiteinkommens sind oft so hoch, dass sich mehr als ein kleines Teilpensum einfach nicht lohnt. Wie verschiedene Studien und auch meine Berechnungen für die Stadt Bern zeigen, sind die Steuer- und Subventionssysteme für die Kinderbetreuung in der Schweiz nicht selten so ausgestaltet, dass sich höhere Pensen negativ auf das Einkommen auswirken. Betroffen ist davon sind vor allem mittelhohe Einkommen.

Der eigentliche „Luxus“, den wir uns in der Schweiz leisten, in diesem Einkommenssegment, derart starke Anreize gegen die Erwerbsarbeit von Müttern zu setzen. Dies obwohl eigentlich klar ist, dass die öffentlichen Gelder, welche in die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, in Form von längerfristig höherem Steuervolumen und höheren Beiträgen an die Sozialversicherungen längst kompensiert werden.

Die Kosten der negativen Anreize gegen die Erwerbsarbeit von Müttern, tragen die Familien. Besonders eng wird es vor allem für die, welche jung Kinder haben und nicht auf angesparte Gelder durch eine längere Phase mit Doppeleinkommen zurückgreifen können. Mir ist eigentlich unbegreiflich, wie man anhand der deutlichen Statistiken und Trends der Ansicht sein kann, Zweiteinkommen seien ein Luxus.

Man kann ja schon argumentieren, Familien mit Zweiteinkommen müssten denen, welche ihre Kinder selber betreuen, gleich gestellt werden. Man sollte sich einfach bewusst sein, dass die Zahlungskraft in der Schweiz bereits heute immer stärker durch kinderlose Haushalte bestimmt wird. Anstatt Familienmodelle gegeneinander auszuspielen, wäre eher angebracht zu überlegen, wie verhindern werden kann, dass die Familien noch stärker an den Rand gedrängt werden.