Moderne Familienpolitik: (k)eine Kampfansage an die Hausfrau und Mutter

Kann man die staatliche Politik so ausgestalten, dass jeder — und vor allem auch jede — frei entscheiden kann, wie die Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit im Haushalt organisiert wird? Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt. Und ehrlich gesagt, ich denke, dass es schwierig ist.

Ich möchte nochmals betonen, dass für mich eine moderne Familienpolitik nicht primär darin bestehen soll, die Menschen möglichst von der unbezahlten Betreuungsarbeit zu ‚befreien’, sondern ihnen zu ermöglichen, Betreuungsarbeit auch dann zu selber leisten, wenn sie erwerbstätig sind. In meinem letzten Blogbeitrag habe ich versucht darzulegen, wie die idealen staatlich gesetzten Rahmenbedingungen aussehen müssten, damit Frauen und Männer die gleichen Chancen hätten, sich in Betreuungsarbeit und Erwerbsarbeit einzugeben, ohne dass man einen grossen Teil der Betreuungsarbeit an staatlich subventionierte Betreuungsinstitutionen delegieren müsste und ohne, dass dabei die beruflichen Ambitionen aufgegeben werden müssten. Dazu gehören in erster Linie das Recht für Männer und Frauen, sich für gewisse Phasen in denen eine intensive Betreuung nötig ist, bezahlt (teil-)beurlauben zu lassen. Dazu gehört auch zwingend ein Nachdenken über unsere Arbeitszeitmodelle.

Klar ist aber auch, dass dieses Modell mit dem traditionellen Modell der Hausfrau und Mutter nur bedingt kompatibel ist: Kürzere Arbeitszeiten und mehr (potentielle) Absenzen der Männer würde deren Löhne in ähnlicher Weise drücken, wie dies heute für die Frauen der Fall ist. Das hätte zur Folge, dass ein durchschnittliches Einzeleinkommen nicht mehr für den Mitunterhalt der Partnerin reichen würde. Eine traditionelle Rollenteilung wäre dann nur noch während der festgelegten Zeit des Betreuungsurlaubs möglich. Ein dauerhafter Rückzug aus dem Erwerbsleben käme nur noch für Paare in Frage, bei denen einer der beiden Partner ein klar überdurchschnittliches Einkommen erzielt. Das traditionelle Ernährermodell würde noch mehr zu einem Luxus als es dies bereits jetzt der Fall ist.

Ich finde es nicht unmodern, sich für die Rolle der Hausfrau und Mutter (oder des Hausmanns und Vaters) zu entscheiden. Im Gegenteil, Frauen (und Männer), die sich frei für diesen Lebensentwurf entschieden haben, dazu stehen und dabei glücklich sind, verdienen Anerkennung. Generell besteht in der Gesellschaft eine Tendenz zur Abwertung der Haus- und Betreuungsarbeit. Dabei sind diese Arbeiten unverzichtbar und für das Wohlbefinden aller Familienmitglieder und insbesondere der betreuten Menschen unendlich wertvoll.

Was mich stört, ist die gesellschaftliche Erwartung, dass diese Aufgaben vor allem von Frauen durchzuführen sind und, dass sich diese um die gesellschaftlichen Erwartungen erfüllen zu können, in die Abhängigkeit eines Mannes geben müssen, der für sie dann ein Einkommen generiert. Dies ist unmodern und nicht mit den Idealen eines freien, für sich selbst verantwortlichen Menschen zu vereinbaren. Wer in der Betreuung anderer Familienmitglieder seine Berufung sieht und damit glücklich ist, der würde in meiner „idealen Gesellschaft“ dafür auch die verdiente Wertschätzung erfahren und insbesondere keine wirtschaftlichen Nachteile erleiden.

Mühe habe ich aber mit der gesellschaftlichen Vorstellung, dass eine Frau nur dann ein „richtiges Mami“ sein kann, wenn sie zumindest für die ersten Lebensjahre ausschliesslich zuhause bleibt. Solche Vorstellungen sind ein Affront gegenüber allen arbeitenden Müttern, die in der Regel doppelte Schichten arbeiten und auf persönliche Freizeit fast vollständig verzichten, um es ihren Kindern und ihren Vorgesetzten recht zu machen, und insbesondere gegenüber denjenigen, die arbeiten müssen, um nicht sozialhilfeabhängig zu werden.

Wer der Ansicht ist, Mütter müssten in den ersten Jahren zwingend bei ihren Kinder sein, müsste konsequenterweise für Politiken einzustehen, die auch ärmeren oder alleinerziehenden Müttern Wahlfreiheit ermöglichen. Wer aber nur dann von Bedürfnissen der Kinder und guten Müttern spricht, wenn es darum geht, steuerliche Anreize gegen die Erwerbsarbeit von abhängigen Ehefrauen zu befürworten, oder andere Formen der Vereinbarkeitspolitik zu verhindern, ist unglaubwürdig.

Als unmodern erachte ich auch politische/wirtschaftliche Anreizstrukturen, welche die Erwerbstätigkeit der Ehepartnerin zu einem ‚Hobby’ degradieren, welches sich – besonders bei einem höheren Arbeitspensum  – gar nicht mehr lohnt oder sogar kostet. In der Schweiz sind solche Anreizstrukturen vor allem im Bündel der Steuer-, Lohn- und Subventionssysteme nach wie vor klar vorhanden (siehe bspw. meine Berechnungen dazu). Und ich finde es auch sehr bedenklich, dass die jüngeren Bestrebungen zur Sicherung der wirtschaftliche Rentabilität der Erwerbsarbeit von Zweiteinkommen  (Abzugsfähigkeit von privaten Kinderbetreuungskosten) durch die Familieninitiative der SVP bekämpft wird.

Wer glaubt, dass die SVP-Familieninitiative den Hausfrauen zugutekommen wird, irrt. Wird die Initiative angenommen, werden Kantone und eventuell auch der Bund wahrscheinlich einfach darauf verzichten, einen Kinderbetreuungsabzug zu gewähren, mit dem Resultat, dass sich Zweiteinkommen weiterhin nicht lohnen, während sich für die Hausfrauen nichts ändert. Es geht also entgegen der Initianten nicht um eine Gleichstellung der traditionellen Familie sondern um eine Verhinderung der Gleichbehandlung von Familien mit zwei Einkommen (Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit). Dass dies die eigentliche Absicht der Initiative ist, lässt sich unschwer daran zu erkennen, dass der Steuerabzug für Selbstbetreuung nur dann und dort eingeführt werden soll, wo ein Abzug für private Fremdbetreuungskosten möglich ist.

Auch wer sich für die Rolle der Hausfrau und Mutter entschieden hat, möchte vielleicht später wieder mal in die Arbeitswelt einsteigen und wäre dann froh, wenn die privaten Kosten für die Tagesschule von den Steuern abgezogen werden können, damit sich die Erwerbsarbeit auch auszahlt. Bitte liebe Hausfrauen: lassen Sie sich nicht vom schönen Titel und den Versprechungen dieser Initiative blenden! Wenn Ihnen wichtig ist, dass alle Babies und sehr kleine Kinder vorwiegend durch ihre Eltern betreut werden können, dann setzten Sie sich dafür ein (z.B. Betreuungsurlaub) und nicht gegen die Erwerbstätigkeit verheirateter Mütter. Tragen Sie dazu bei, dass Ihre Tochter in einem Land aufwachsen kann, indem sie ihre Ausbildung nutzen und ihre beruflichen Ziele verwirklichen kann und ihren Kindern dennoch eine liebevolle und verfügbare Mutter sein kann  – selbstbestimmt! Helfen Sie mit eine moderne Familienpolitik zu prägen, welche die Betreuungsarbeit in unserer Gesellschaft nicht einfach als Residuum betrachtet, welche von den Frauen zu erledigen ist oder die an Hilfskräfte ausgelagert wird.